Munich Trial | 13Apr2010 | John Demjanjuk    [Original pdf]


ERKLÄRUNG

des Angeklagten
zur Kritik des Gerichtes und der Nebenklägervertreter
an seinem prozessualen Verhalten:

Ich bin persönlich den Menschen dankbar, die mir in meiner aussichtslosen Lage als Schwerkranker persönlich helfen, sei es in der JVA, sei es hier im Gerichtssaal. So danke ich insbesondere dem Pflegepersonal, welches sich sehr bemüht, mir die größten Schmerzen zu mindern und mir hilft, diesen von mir als Folter und Tortur empfundenen Prozess durchzustehen.

Im Übrigen weise ich auch Folgendes bin:

1.    Deutschland ist schuld daran, dass ich durch einen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion meine Heimat, mein Vaterland, verloren habe.

2.    Deutschland ist schuld daran, dass ich in Kriegsgefangenschaft geraten bin.

3.    Deutschland ist schuld daran, dass ich in Kriegsgefangenenlagern durch absichtliche Verweigerung genügender Nahrungsrationen mit Millionen anderen gefangenen Rotarmisten zum Hungertot verurteilt war und nur mit Gottes Hilfe überlebt habe.

4.    Deutschland ist schuld daran, dass ich im Kriegsgefangenenlager zu einem Arbeitssklaven der Deutschen gemacht wurde.

5.    Deutschland ist schuld daran, dass in diesem Vernichtungskrieg 11 Millionen meiner ukrainischen Landsleute von Deutschen umgebracht wurden und weitere Millionen Ukrainer von Deutschen nach Deutschland zur Zwangsarbeit und in Sklaverei verschleppt wurden.

6.    Deutschland ist schuld daran, dass tausende oder abertausende meiner Landsleute von den Deutschen zur unfreiwilligen Kollaboration und zur Mitarbeit im perversen Rassenvernichtungsprogramm gegen Juden, Sinti, Roma, Slawen, Ukrainer, Polen und Russen durch Gewalt und Todesdrohungen gezwungen und hunderte und aberhunderte, die sich weigern wollten, deswegen von den Deutschen ermordet wurden, ferner Abertausende in die Ukraine deportiert, dort von Stalin exekutiert oder für Jahrzehnte in den sibirischen Gulags gefoltert und zu Arbeitssklaven der Kommunisten erniedrigt wurden.

7.    Deutschland ist schuld daran, dass ich noch Jahre nach dem Krieg als DP in DP-Camps hausen und ein elendiges Leben führen musste.

8.    Deutschland ist schuld daran, dass ich trotz 30-jähriger juristischer Verfolgung in Israel und den USA sowie in Polen mit mehr als 10 Jahren Freiheitsentziehung, davon mehr als 5 Jahren in einer Todeszelle in Israel, am Ende meines Lebens in meinem 90 Lebensjahr nach Deutschland zwangsdeportiert wurde.

9.    Deutschland ist schuld daran, dass gegen mich am Ende meines Lebens und am Ende meiner Lebenskraft unter Bruch mit einer 65-jährigen Rechtsprechung und unter Verstoß gegen die EMRK in Deutschland falsche Anklage wegen Beihilfe zum Mord erhoben worden ist.

10.    Deutschland ist schuld daran, dass ich schon mehr als 9 Monate in der JVA Stadelheim im Gefängnis  bin und in Umfreiheit isoliert -- obwohl unschuldig -- dahinsiechen muss.

11.    Deutschland ist schuld daran, dass ich unwiderruflich und endgültig nunmehr auch meine zweite Heimat, die USA, verloren habe.

12.    Deutschland ist schuld daran, dass ich meinen gesamten Lebenssinn, meine Familie, mein Glück, jede Zukunft und Hoffnung endgültig verloren habe.

Ich erlebe jede Minute, jede Stunde, jeden Tag, jede Woche und jeden Monat seit dem 12.05.2009 als Kriegsgefangener Deutschlands. Ich erlebe diesen Prozess als eine Fortsetzung meiner schrecklichen Erlebnisse mit Deutschen, als eine Fortsetzung des unbeschreiblichen Unrechtes, welches mir von Deutschen in meinem leben angetan worden ist. Ich bin erneut und zum wiederholten Mal unschuldiges Opfer der Deutschen. Ich empfinde es als ein unsagbares Unrecht, dass Deutschland mit Hilfe dieses Prozesses aus mir, dem Kriegsgefangenen, einen Kriegsverbrecher machen will. Ich empfinde es als unerträgliche Anmaßung Deutschlands, dass Deutschland mich dazu missbraucht, von den von Deutschen verübten Kriegsverbrechen abzulenken und diese vergessen zu machen und entgegen der Wahrheit die Behauptung aufzustellen, die wahren Täter der Naziverbrechen seien ich, die Ukrainer und die europäischen Nachbarn Nazi-Deutschlands gewesen.

Ich halte diesen Prozess, der unter Bruch jeder Gleichbehandlung mit Deutschen SS-Angehörigen und einer Unzahl "deutscher Trawnikis" ausschließlich und allein gegen mich, einem angeblichen ausländischen Trawniki geführt wird, mit der Gerichtigkeit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz für unvereinbar. Ich habe mich bereits wegen des Anklagevorwurfs der Staatsanwaltschaft München in Israel verteidigen müssen, ich war in Israel angeklagt, an Nazi-Verbrechen in Sobibor beteiligt gewesen zu sein. Das Israelische höchste Gericht hat ausdrucklich festgestellt, dass dieser Vorwurf der israelischen Staatsanwaltschaft nicht beweisbar sei und über die Anklage wegen Sobibor rechtskräftig entschieden, und zwar unter Anrechnung und ausdrücklicher Bezugnahme auf die bereits erlittene Untersuchungshaft von mehr als 7 ½ Jahren. Ich habe in Israel für diese gegen mich erhobenen Vorwürfe 7 ½ Jahre in Untersuchungshaft gesessen, davon 5 Jahre in einer Todeszelle.

Ich empfinde es als mit der Gerichtigkeit und der Menschlichkeit unvereinbar, dass ich mich nunmehr seit über 33 Jahren als ein immer wieder gejagtes Justizopfer des Office of Special Investigation der USA und der dahinterstehenden Kreise, inbesondere des World Jewish Congress und des Simon Wiesenthal-Centers, die vom Holocaust leben verteidigen muss. Nunmehr wird mihr am Ende meines lebens und am Ende meiner lebenskraft der 30ste oder 40ste Prozess in derselben Sache gemacht, ich habe nicht mehr die Kraft zum Widerstand. Ich bin wehrlos diesem seit über 30 Jahren gegen mich geführten Justizkrieg, den nunmehr die Deutschen stellvertretend für OSI gegen mich weiter führen, ausgeliefert.

(Signature)
John Demjanjuk

Ich möchte meine Erklärung noch wie folgt ergänzen:

Meine von mir geliebte Frau Vera Demjanjuk mit der ich seit über 50 Jahren verheiratet bin, hat wie ich unter Deutschland gelitten. Es warren die Deutschen, die meine Frau ihrer Jugend beraubt haben und sie zu jahrelanger Zwangsarbeit in Deutschland gezwungen haben. Sie war jahrelang Arbeitssklavin der Deutschen unter grausamsten und inhumansten Bedingungen.

Das Leid, das ihr und mir im Zusammenhang mit dem deutschen Vernichtungskrieg gegen uns Slawen angetan wurde, ist unermesslich und mit Worten nicht beschreibbar. Das Deutschland meine Familie und mich erneut und wieder als Opfer ausgesucht hat, ist für mich unfassbar.